Architektur

Der Architekt Daniel Binder hat seinen Entwurf für das MAC Museum Art & Cars unter die Devise des römischen Philosophen Lucius Annaeus Seneca gestellt: „Alle Kunst ist Nachahmung der Natur“. Der Entwurfsprozess begann mit einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Ort. Seit 2009 hat sich der Architekt in zahllosen Skizzen und Gesprächen mit der Bauherrschaft dem mythischen Hohentwiel so lange genähert, bis der eigenwillige Bau mit dem markanten Bergkegel im Dialog war. Der Neubau zitiert nicht nur den grandiosen Berg mit den Resten der einstigen Festung, sondern spielt metaphorisch mit ihm. Der „Genius Loci“ hat seine Wirkung entfaltet; der Ortsbezug ist von eminenter Bedeutung.

Der zweigeschossige Baukörper entlang der Schaffhauser Straße steht bewusst nahe an der Grundstücksgrenze und verströmt – trotz seiner mäandrierenden Wände und der geschwungenen Dächer – Ruhe und Sicherheit. Die unterschiedlich gebogenen Mauern verleihen der Fassade eine vertikale Struktur mit einer Höhenentwicklung von 8,50 bis fast 12 m. Fest sitzt die bewegte Kubatur auf dem stabilen Sockel aus Beton. Keine Fenster durchbrechen die fließenden, aber schmucklosen Fassaden. Mit voller Absicht schottet sich so der Putzbau nach außen hin ab und umfasst infolgedessen einen vom Lärm der viel befahrenen Straße geschützten, parkartig offenen Garten. In gegenseitiger Anlehnung besticht das MAC Museum Art & Cars am Fuße des Hohentwiel als mächtige und starke Architektur-Skulptur. Diese Wirkung wird durch den Minimalismus der Gestaltung gesteigert: keine Dachüberstände, nur Wasserspeier, kein Vordach. Lediglich eine schmale Blechverwahrung zeichnet die geschwungene Dachlandschaft nach und rezipiert die Silhouette des Vulkankegels.

Betritt man nun dieses konsistente Gebäude, diese kunstbewahrende Festung, erlauben die großzügig gesetzten Fenster einen überraschenden Blick in den Garten und auf den Hohentwiel. Auch für das zweigeschossige Innere hat der Architekt ein spannungsreiches Raumgefüge entwickelt. Vom Eingangsbereich schwingt sich linker Hand eine repräsentative Treppe effektvoll ins Obergeschoss, während sich rechts der unmittelbar in den Garten führende Gastronomiebereich anschließt. Hier befindet sich auch eine kleine Bibliothek. Die beiden mit breit gelagerten Fenstertüren versehenen Ausstellungsräume erinnern an historische Remisen und nehmen konsequenterweise die automobilen Oldtimer auf. Zugleich umschließen sie einen gänzlich dunklen Raum – das Gebäude-Innerste –, in dem Außergewöhnliches gezeigt werden kann.

Das Obergeschoss kann auch unmittelbar über die innenliegende Treppe erreicht werden. Hier wiederholt sich im Wesentlichen die Raumfolge des Erdgeschosses mit offenen und geschlossenen Raumqualitäten. Über der westlichen „Remise“ befindet sich ein fensterloses Schaudepot mit den Stiftungsbeständen, das auf Wunsch für Besucher offen steht. Das Muse- um kommt ohne Fahrstuhl aus. Über eine Außenrampe an der Westfassade, gegenüber dem Bahn-Haltepunkt, gelangt der Besucher unmittelbar in das Obergeschoss und in die Sammlung. Der mittlere Ausstellungsraum sowie der obere Tagungsbereich sind durch hohe schießschartenartige Fenster mit Tageslicht erfüllt.

Im Obergeschoss konnte der Architekt seine Auffassung von organischer Architektur besonders deutlich und prägnant verwirklichen. Es gibt nicht die typischen neutralen „Rechteckkisten“, die sich Kuratoren üblicherweise wünschen. Die Räume korrespondieren spannungsvoll mit der Bewegung der Wände, sie sind eine Herausforderung für die Ausstellungsmacher. Durch vielfache Schwingungen der Wände und ungleiche Raumhöhen ist die Decken- und Dachlandschaft auffällig moduliert. Obwohl sich der breit gelagerte, umbrafarbig verputzte Baukörper klar und unmissverständlich absetzt, ist er mit dem umgebenden Außenraum – dem Garten und der benachbarten Villa von 1926 – verzahnt. Trotz des Eingriffs in die Landschaft wurde die Ausgewogenheit zwischen Natur und Kultur gewahrt.

Für Singen und für die in der Region bestehende Museumslandschaft stellt das Gebäude einen Solitär dar. Aber auch im bisherigen Oeuvre des Architekten Daniel Binder ist Vergleichbares nicht zu finden. Der starke Ort gab Halt und Inspiration beim Entwurfsprozess. Das Gebäude ist dem „Organischen Bauen“ zuzurechnen – eine Bewegung in der Architektur, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in verschiedenen Ländern gleichzeitig entstand. Zu den bekannten Protagonisten gehörten Architekten wie Frank Lloyd Wright, Antoni Gaudí und der Anthroposoph Rudolf Steiner. Es fehlte schon damals ein übereinstimmendes Leitbild mit dem Ergebnis mannigfacher Strömungen. Programm war weniger die Nachahmung von Formen der Natur als vielmehr die Orientierung unmittelbar am Menschen. Hohe Bedeutung wird den natürlichen Gegebenheiten und der Integration von Architektur in den Ort oder in die Landschaft beigemessen.

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Architekt Daniel Binder

Architektur erleben, Kunst und Oldtimer genießen, Freunde treffen – diesen ungewöhnlichen Dreiklang bieten sowohl das 2013 eröffnete MAC Museum Art & Cars, MAC 1 Museum Art & Cars als auch das am 21. Juni 2019 eröffnete MAC 2 Museum Art & Cars, das den „Altbau“ vom Volumen her um ein Vielfaches überragt. Das Stifterpaar Maier wünscht sich diesen Dreiklang und der Architekt Daniel Binder lieferte die Pläne dazu. Der erste Museumsbau wurde von einer Tageszeitung in Anspielung auf das Guggenheim-Museum von Frank O. Gehry als „Klein Bilbao am Bodensee“ bezeichnet. Beide Museumsgebäude zitieren die Umgebung – das MAC 1 Museum Art & Cars die weiche Silhouette der Burg des Hohentwiel; das MAC 2 Museum Art & Carsnimmt die harten, kantigen Seiten des Berges auf. Der Architekt sieht in dem Neubau zwei herabgestürzte Felsen, die sich ineinander verkeilt haben und nun zur Ruhe gekommen sind. Ein schönes Bild.

Daniel Binder hat – auch das gehörte zu seinem Auftrag – eine museums- und ausstellungsgerechte Architektur geschaffen. Räume und Säle, die sowohl die Bilder als auch die Oldtimer (rollenden Skulpturen) wunderbar zur Geltung bringen. So wenigstens war von Künstlern und Automobilisten zu hören.

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